2014 - Island

On A Clear Day - A Foggy Day

Diese bei­den bekann­ten Jazz­stan­dards, arran­giert von Ste­phan-Pfei­fer-Gali­lea, einem der 4 Diri­gen­ten des JJO NRW, bil­de­ten die Klam­mer des Kon­zert­pro­gramms, das das Jugend­Jazz­Or­che­ster NRW auf sei­ner 37. Aus­lands­tour­nee in Island prä­sen­tier­te. Die künst­le­ri­sche Lei­tung die­ser Tour lag in den Hän­den von Ste­phan Schul­ze und Micha­el Villmow.

Fragt man einen Islän­der nach dem Wet­ter, so lau­tet die Ant­wort, man solle die näch­sten 15 Minu­ten abwar­ten. In die­ser Zeit­span­ne folgt in der Regel Son­nen­schein auf Regen und umge­kehrt. Ein open air-Kon­zert bedeu­tet somit für den Ein­hei­mi­schen allein schon in meteo­ro­lo­gi­scher Hin­sicht hin­rei­chend Abwechslung.

Als das Jugend­Jazz­Or­che­ster NRW in Kefla­vik, dem inter­na­tio­na­len Flug­ha­fen von Reykja­vik, lan­det, ist es kurz vor Mit­ter­nacht und tag­hell. Man war­tet ver­geb­lich am Gepäck­band auf rest­li­che Instru­men­te, die, so stellt sich auf Nach­fra­ge her­aus, ver­se­hent­lich nach Mün­chen geflo­gen wur­den. Dabei bestand Luft­han­sa beim Ein­checken in Düs­sel­dorf dar­auf, dass für eini­ge Instru­men­te trotz ihres gerin­gen Gewich­tes Extra­ge­büh­ren ent­rich­tet wer­den mussten.

Bereits auf der knapp ein­stün­di­gen Fahrt vom Flug­ha­fen nach Reykja­vik wird deut­lich, wie dünn die­ses Land besie­delt ist. 3,1 Ein­woh­ner tei­len sich einen Qua­drat­ki­lo­me­ter. 320.000 Men­schen leben in Island, davon rd. 120.000 in Reykja­vik. Das ent­spricht 37% der Gesamt­be­völ­ke­rung des Lan­des. Die am nörd­lich­sten gele­ge­ne Haupt­stadt der Welt, nicht grö­ßer als eine mitt­le­re Kom­mu­ne im Ruhr­ge­biet, ver­sprüht trotz ihrer über­sicht­li­chen Aus­deh­nung welt­städ­ti­schen Charme. Dazu trägt nicht zuletzt das beein­drucken­de Kon­zert­haus ‘Harpa’ bei, direkt am Hafen gele­gen, Sitz des Islän­di­schen Sin­fo­nie­or­che­sters und der Islän­di­schen Oper, mit dem Preis der Euro­päi­schen Union für zeit­ge­nös­si­sche Archi­tek­tur ausgezeichnet.

Das erste Kon­zert, von der Deut­schen Bot­schaft in Reykja­vik orga­ni­siert, fin­det in der Frei­kir­che (Frí­kirk­ja) im Zen­trum Reykja­viks statt, einem Gebäu­de der von der Islän­di­schen Staats­kir­che unab­hän­gi­gen luthe­ri­schen Frei­kir­che in Island. Gemein­sam mit dem bekann­ten islän­di­schen Jazz­sa­xo­pho­ni­sten Sigu­dur Flosa­son, spielt die Band u.a. Arran­ge­ments des Gast­so­li­sten, die man auf der Früh­jahrs­ar­beits­pha­se bereits ein­stu­diert hatte. 15 Minu­ten vor Beginn des Kon­zer­tes tref­fen die noch feh­len­den Instru­men­te und auch die Par­ti­tu­ren ein, die mit Ice­land Air inzwi­schen nach­ge­flo­gen wurden.

Einen Tag nach dem Eröff­nungs­kon­zert reist das Orche­ster mit Bus und Fähre zu den West­män­ner­in­seln (Vest­man­na­e­y­jar), einer klei­nen Insel­grup­pe süd­lich der Küste gele­gen. Hei­ma­ey stellt mit einer Flä­che von 14,5 km² die mit Abstand größ­te und ein­zig stän­dig bewohn­te Insel dar. Auf ihr befin­det sich die gleich­na­mi­ge Stadt. Sie erlitt durch einen Vul­kan­aus­bruch am 23. Janu­ar 1973 einen schwe­ren Schick­sals­schlag, viele Häu­ser wur­den unter Asche und Lava begra­ben. Heute kann man in einem 2012 fer­tig­ge­stell­ten Muse­um in einer beein­drucken­den Video- und Audio­in­stal­la­ti­on die­ses Natur­er­eig­nis ’nach­er­le­ben’.

Das Kul­tur­amt der Stadt hatte das JJO NRW nach Hei­ma­ey ein­ge­la­den und ver­an­stal­te­te in Koope­ra­ti­on mit der Musik­schu­le ein Kon­zert, das im dor­ti­gen Kul­tur­haus (Kvika) statt­fand. Schlag­zeug, Piano und Ver­stär­ker, die­ses Mal nicht im Reis­ge­päck des Orche­sters, stell­te die Musik­schu­le zur Ver­fü­gung; hier bezog die Band auch Quar­tier. Kri­stín Jóhanns­dót­tir, zustän­dig für Kul­tur und Mar­ke­ting der Insel und Initia­to­rin des JJO-Besuchs, lei­tet auch das Vul­kan­mu­se­um. Gemein­sam besucht man am näch­sten Tag die Ausstellung.

Zurück in Reykja­vik steht eine umfas­sen­de Besich­ti­gungs­tour rund um die Haupt­stadt auf dem Pro­gramm, die das Orche­ster zu den groß­ar­tig­sten Natur­wun­dern Islands führt: bestaunt wer­den u.a. was­ser­spei­en­de Gey­si­re, rau­chen­de und streng rie­chen­de Schlamm­lö­cher im geo­ther­mi­schen Gebiet Hau­ka­dalur und der gewal­ti­ge Gullfoss-Wasserfall.

Die zwei­te Hälf­te der Tour beginnt mit einem atem­be­rau­ben­den Inlands­flug nach Isafjor­dur, dem Wirt­schafts- und Ver­wal­tungs­zen­trum der West­fjor­de. Das Orche­ster belegt die Hälf­te der zur Ver­fü­gung ste­hen­den Sitz­plät­ze. Instru­men­te, sonst als Hand­ge­päck in der Kabi­ne mit­ge­führt, wer­den pro­blem­los in den Fracht­raum ver­la­den; das Boden­per­so­nal han­tiert dabei erfreu­lich umsichtig.

Der Anflug auf Isafjor­dur gehört zu den schwie­rig­sten welt­weit. Hier muss die Maschi­ne zunächst in einen Fjord ein­flie­gen, wobei man beklem­mend nahe an einer schroff abfal­len­den Fels­wand ent­lang glei­tet. Vor dem Auf­set­zen fliegt die Maschi­ne noch eine 180°-Kurve in beäng­sti­gend nied­ri­ger Höhe.

Die Lei­te­rin des Kul­tur­zen­trums Edin­bor­gar­hú­sið, Mar­gret Gun­nars­dot­tir, hat mit gro­ßem per­sön­li­chem Ein­satz und unter Mit­hil­fe von Fami­li­en­an­ge­hö­ri­gen den Besuch des Orche­sters vor­be­rei­tet. Die Band wird in einer kom­for­ta­blen Ski­hüt­te unter­ge­bracht und ver­sorgt sich selbst. Ent­spre­chend steht ein Groß­ein­kauf im Super­markt auf dem Pro­gramm. Jede ‘Sec­tion’ kauft für sich ein, ein ‘Grill- und Küchen­kom­man­do’ küm­mert sich um Abend­essen und Früh­stück. Vor dem Kon­zert am näch­sten Tag bleibt Zeit, die Gegend zu erkun­den. Das Wet­ter bleibt sta­bil, ange­neh­me Tem­pe­ra­tu­ren las­sen für einen Moment ver­ges­sen, dass man sich knapp süd­lich des Polar­krei­ses befindet.

Gast­so­list in Isafjor­dur ist der hei­mi­sche Akkor­deo­nist Hról­fur Vagns­son, der auch als Ton­in­ge­nieur in Deutsch­land arbei­tet und u.a. die NDR-Big Band ton­tech­nisch betreut. Gabri­el Perez, der 4. Lei­ter im JJO-Diri­gen­ten­team, hat einen Tango von Astor Piaz­zol­la eigens mit einem Akkor­de­on-Solo­part ver­se­hen. Ein gemein­sa­mer Blues steht auch auf dem Pro­gramm, das Publi­kum fei­ert Solist und Band enthusiastisch.

Will man die Geschich­te die­ser Regi­on ver­ste­hen, ist ein Aus­flug in das vor Jah­ren ver­las­se­ne Fischer­dorf Hestey­ri auf der Halb­in­sel Horn­st­ran­dir uner­läss­lich. Begrenzt durch das Nord­po­lar­meer und dem mäch­ti­gen Glet­scher Dran­ga­jö­kull kann die­ses von Gott und Mensch ver­las­se­ne Nest nur mit dem Boot erreicht wer­den. Keine Stra­ße führt hier­her, in Sicht­wei­te die Gemäu­er einer ver­fal­le­nen Wal­fang­sta­ti­on. Ken­ner sagen, dies sei der schön­ste Flecken Islands. Zwi­schen lebens­feind­li­cher Schroff­heit und unwirk­li­cher Sanft­heit spürt man die fast magi­sche Atmo­sphä­re der ehe­ma­li­gen Fischer­sied­lung Hestey­ri mit ihrer leid­vol­len Geschichte.

Das klei­ne Café, eines der 4 ver­blie­be­nen Häu­ser des Dor­fes, öff­net für weni­ge Mona­te im Jahr. Strom bezieht es aus einer Bat­te­rie, die mit einem durch Quell­was­ser betrie­be­nen Dyna­mo gespeist wird. Ein Polar­fuchs traut sich bis an die Veran­da und staubt eini­ge Fisch­re­ste ab. Han­dy­emp­fang ist hier nicht mög­lich, nach Inter­net zu fra­gen kommt der Jugend nicht in den Sinn. Zurück in Isafjor­dur berei­tet man sich auf den Rück­flug nach Reykja­vik vor. Der Anflug der zuvor aus der Haupt­stadt ein­tref­fen­den Pro­pel­ler­ma­schi­ne wird aus­gie­big bestaunt.

Durch die Ver­mitt­lung von Sigur­dur Flosa­son spielt das Orche­ster sein letz­tes Kon­zert auf der Vul­kan­in­sel im Innen­hof des Restau­rants ‘Jom­f­ru­in’, inmit­ten der City Reykja­viks. Sams­tags nach­mit­tags wird hier von 15:00 - 17:00 Uhr gejazzt. Das Publi­kum, zahl­reich erschie­nen und teils in Decken gehüllt, ver­folgt begei­stert das Kon­zert. Es ist kalt, aber es reg­net nicht, also für islän­di­sche Ver­hält­nis­se gute Bedin­gun­gen für ein open air-Kon­zert. Tho­mas H. Mei­ster, der Deut­sche Bot­schaf­ter, sowie zahl­rei­che Mit­ar­bei­ter wei­te­rer aus­län­di­scher Ver­tre­tun­gen ver­fol­gen den Auf­tritt. ‘A Foggy Day’ beschließt die­ses Kon­zert und auch die Tour, es gibt wie immer eine Zugabe.

Der Deut­sche Bot­schaf­ter lädt nach dem Kon­zert zu einem Umtrunk in seine Resi­denz. Er ermun­tert alle Orche­ster­mit­glie­der, sich per­sön­lich vor­zu­stel­len. Auch die Gäste ande­rer Depen­dan­cen nen­nen ihre Namen und ihre Funk­ti­on; es ent­wickelt sich eine leb­haf­te Konversation.
Am 10. Tag der Island­rei­se fliegt die Band zurück nach Deutsch­land. Um 04:00 Uhr mor­gens steht der Bus für den Trans­fer nach Kefla­vik bereit, die Nacht zuvor wie­der taghell.Zu die­ser Tour­nee lie­gen uns lei­der keine Bil­der vor. Habt Ihr wel­che? Dann wür­den wir uns sehr freu­en, wenn Ihr Sie uns schickt, damit diese Web­site voll­stän­dig wird. Herz­li­chen Dank!