Auf Einladung des Goethe-Instituts Helsinki und der Finnischen Jazzfestivals ‘Baltic Jazz’ und ‘IBBF’ in Imatra absolvierte das JugendJazzOrchester NRW vom 27. Juni bis 07. Juli 2013 seine 35. Auslandsreise. Anlass war der 50. Geburtstag des Goethe-Instituts in Finnland sowie der 40. Jahrestag der deutsch-finnischen diplomatischen Beziehungen auf Botschafterebene. Der Besuch von Bundespräsident Joachim Gauck in der südfinnischen Stadt Turku war avisiert, das JJO NRW als Teil des protokollarischen Rahmens eingeplant.
Bilder der Tournee
Das Orchester beginnt seine Reise mit einem Finnair-Flug von Düsseldorf nach Helsinki. In Anbetracht verschärfter Förderbedingungen wird ein Großteil des Equipments vorsorglich bei einer Tonfirma in Tallinn ausgeliehen. Das Einchecken verläuft problemlos, Übergepäckgebühren fallen nicht an. Vom Flughafen Helsinki geht es zu einer kurzen Stadtrundfahrt und anschließend zum Fährhafen, um noch am gleichen Abend nach der Hauptstadt Estlands überzusetzen.
Der Reisetag endet mit einem Bummel durch die historische Altstadt (estn. Vanalinn), die 1997 in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen wurde. Sie gilt als ein hervorragendes Beispiel einer gut erhaltenen, mittelalterlichen nordeuropäischen Handelsstadt. Etwa gegen 01:00 scheint der Himmel zweigeteilt: es wird dunkel, gleichzeitig erkennt man schon die Morgendämmerung.
2006 gastierte das JJO NRW schon einmal in Tallinn. Ein Hotelbesitzer im Publikum zeigte sich seinerzeit begeistert, erfuhr von der erneuten Tour und lud das Orchester ein nach ‘Vihula Manor’, einem charmanten, sorgfältig renovierten Herrenhaus aus dem 16. Jahrhundert inmitten einer 50 ha großen Parklandschaft. Das Anwesen liegt im artenreichen ‘Lahemaa National Park’, eine Stunde Fahrtzeit von Estlands Hauptstadt entfernt am Mustoja Fluss unweit der Ostsee. Hier gibt das Orchester sein erstes Konzert der Tour. Es findet statt innerhalb des regulären Kulturprogramms der Hotelanlage.
Samstag, 29. Juni, ist wieder Reisetag. Mit dem Bus eines estischen Unternehmens, der während der gesamten Tour der Band zur Verfügung steht, geht es zurück nach Tallinn. Eine riesige Schnellfähre setzt in 2 Stunden nach Helsinki über, und weiter geht die Fahrt durch endlose Wälder in das rd. 270 km entfernte Imatra, in der südostfinnischen Landschaft Südkarelien an der Grenze zu Russland gelegen.
Imatra besitzt kein eigentliches Stadtzentrum, sondern besteht aus drei zusammengewachsenen Ortsteilen. Das Verwaltungszentrum ist der in den 1960er Jahren neu errichtete Stadtteil Mansikkala mit rd. 4100 Einwohnern. Sonst eher ausgestorben erwacht die Gemeinde zum legendären ‘Imatra Big Band Festival’ aus ihrem Dornröschenschlaf. 30 Konzerte in sieben Tagen werden veranstaltet, darunter auf den Hauptbühnen in der Einkaufsstraße ‘BB-Street’ und im sog. ‘BB-Club’, einem Festivalzelt für rd. 2.500 Besucher.
Das JJO NRW nimmt zunächst an Workshops und Lectures zusammen mit finnischen Bands teil. Sie werden u.a. geleitet vom bekannten finnischen Posaunisten und Komponisten Petri Juutilainen sowie von Jiggs Whigham, einem der Leiter des BundesJazzOrchesters (BuJazzO). Anschließend findet ein open air-Konzert in der Fußgängerzone statt. Bei strahlendem Sonnenschein verfolgen zahlreiche Zuhörer, viele von ihnen vor Cafés und Restaurants sitzend, den Auftritt. Das Publikum ist angenehm interessiert und verlangt zum Ende enthusiastisch Zugaben.
Am 1. Juli soll das JJO NRW im großen Festivalzelt aufspielen. Schon am Vortag kann man dort das ausgelassene Publikum bei Konzerten einheimischer Bands erleben: Stimmung wie auf der Wiesn beim Oktoberfest.
Am Auftrittstag regnet es in Strömen. Das Zelt kann die Wassermassen kaum ableiten. Die Band spielt auf einer riesigen Bühne, der technische Aufwand ist enorm. Die Backstage-Crew dirigiert Aufbau und Soundcheck, besser man steht den tätowierten Jungs nicht im Weg. Das digitale Mischpult findet voreingestellte Programme nicht mehr, möglicherweise ist die Umgebung doch zu feucht. Schließlich funktioniert alles; das Zelt füllt sich spärlich, es schüttet wie aus Eimern. Nach einer Stunde Spielzeit haben sich doch einige Zuhörer eingefunden, vor der Bühne bildet sich der ‘JJO-Fanclub’ vom Vortag. Das Bier gibt es für satte 6,00 Euro, getrunken wird trotzdem gern und reichlich. Der Leiter des Goethe-Instituts Helsinki, Mikko Fritze, ist mittlerweile eingetroffen und hört begeistert zu. Spätabends geht es mit dem Tourbus zurück zur Unterkunft, einer einfachen aber sauberen Herberge direkt an einem See. Ein Teil der Band nimmt noch ein Mitternachtsbad, richtig dunkel wird es nicht.
Wie immer hat Juri, der Busfahrer, am nächsten Tag sein Gefährt pünktlich bereitgestellt und chauffiert die Band sicher gen Helsinki.
Die Hauptstadt liegt im Süden an der Küste des Finnischen Meerbusens. Mit rd. 600.00 Einwohnern ist sie mit Abstand die größte Stadt Finnlands und das politische, wirtschaftliche, wissenschaftliche und kulturelle Zentrum des Landes. Sechs Prozent der Einwohner sind schwedischsprachig, offiziell ist die Stadt zweisprachig. Auffallend viele Passanten sprechen gutes Englisch.
Mittwoch, der 3. Juli, beginnt mit einem Match am Fußballkicker im Goethe-Institut Helsinki. Hier trifft sich das JJO-Leitungsteam mit Mikko Fritze, um anschließend die Örtlichkeiten in der Halle des Bahnhofs in Augenschein zu nehmen. Hier soll mittags ein ‘Flash Mob’ stattfinden, ebenso später in einem Einkaufszentrum. Die Idee ist, zunächst den Bassisten des JJO allein und später die restlichen Mitglieder der Band bis zur vollen Besetzung hinzukommen zu lassen. Erst jetzt würde das Publikum realisieren, dass alles inszeniert ist. Im Bahnhof gelingt dieses Vorhaben mit mäßigem Erfolg. Um so mehr lassen sich die Leute im Einkaufszentrum begeistern. Beide Veranstaltungen dienen der Werbung für ein Konzert am Nachmittag auf der ‘Espan Lava Bühne’ im ‘Esplanadin Park’, inmitten des Stadtzentrums. Hier werden während der Sommersaison regelmäßig Konzerte abgehalten; der Eintritt ist frei. Bestes Sommerwetter, der Hafen im Hintergrund, reichlich Publikum, ein ‘wunderbares setting’ (Mikko Fritze) für ein open air-Konzert des JJO NRW.
Der ‘off-day’ am Donnerstag, 4. Juli, beginnt mit einem kleinen Informationsgang durch die Stadt unter Führung des Goethe-Institutsleiters. Den Nachmittag verbringen die meisten auf der Insel Suomenlinna (finn.: ‘Finnenburg’). Hier trifft man auf eine im 18. Jahrhundert entstandene Festung, die auf mehreren miteinander verbundenen Inseln vor der finnischen Hauptstadt liegt. Sie steht auf der Liste des UNESCO-Weltkulturerbes und ist mit mehr als 700.000 Besuchern pro Jahr eines der beliebtesten Ausflugsziele für Touristen und Einheimische, die es auch das ‘Gibraltar des Nordens’ nennen. Im Zweiten Weltkrieg dienten die Inseln den Finnen als Stützpunkt von Küstenartillerie, Luft-abwehr und U-Booten.
Den Abend verbringt man im Umfeld des bekanntesten Wahrzeichens der Stadt, der vom Deutschen Carl Ludwig Engel entworfenen Kathedrale von Helsinki, oder am Hafen oder im Jazzclub. Dass um Mitternacht Bauarbeiter bei Tageslicht eine Straße pflastern, erscheint schon nicht mehr ungewöhnlich.
Am 4. Juli sollte es zum Zusammentreffen mit dem Bundespräsidenten in Turku kommen. So war es seit Wochen geplant. Das JJO NRW hätte nicht nur im offiziellen Besuchsprogramm auftreten sondern auch anschließend mit der lokalen Big Band ein gemeinsames Konzert für die Bevölkerung geben sollen. Schloss Bellevue kippte kurzerhand den Termin und verlegte ihn auf den 6. Juli. Somit entfiel der Auftritt.
Das Orchester, frei von konzertanten Verpflichtungen an jenem Tag, fährt entspannt Richtung Taalintehdas im Südwesten Finnlands und genießt die fantastische Seenlandschaft. Die Unterbringung am Zielort erfolgt auf Matten in einer Turnhalle, für manches Orchestermitglied zunächst ein kleiner Schock nach der relativ komfortablen Unterbringung in Helsinki.
Das Dorf Taalintehdas, eher eine kleine Häuseransammlung mit Yachthafen, richtet jedes Jahr das populäre ‘Baltic Jazz Festival’ aus. Das meist von finnischen Gruppen präsentierte Programm reicht von Dixieland, Swing bis zu Rhythm & Blues und kammermusikalischen Besetzungen. Das JJO NRW, einzige und zudem ausländische Big Band des Festivals, spielt eine Jazzmatinee open air im Park in der Nähe des Yachthafens. Viele Festivalbesucher verfolgen das Konzert, wiederum sehr aufmerksam und in guter Stimmung. Nach diesem letzten Auftritt der Tour geht es zurück nach Helsinki.
Am Sonntag, 7. Juli, steht Juri mit seinem Bus ein letztes Mal und pünktlich wie immer vor dem Hotel. Er fährt die Band zum Flughafen; es ist sein letzter Transfer, bevor er sich auf den Weg zur Fähre nach Tallinn macht.