2011 - VAE und Kuwait

Jazz­ing the Gulf

Die 33. Aus­lands­tour­nee des Jugend­Jazz­Or­che­sters NRW führ­te vom 1.-12. Okto­ber 2011 in die Ver­ei­nig­ten Ara­bi­schen Emi­ra­te (VAE) und nach Kuwait. In enger Koope­ra­ti­on mit den Deut­schen Bot­schaf­ten in Abu Dhabi und Kuwait orga­ni­sier­te das Goe­the-Insti­tut der Golf­re­gi­on eine Tour mit Kon­zer­ten, Ses­si­ons und Work­shops. Die Schirm­herr­schaft über­nahm Seine Exzel­lenz Scheich Nahy­an Bin Muba­rak Al Nahy­an, Mini­ster für Höhe­re Bil­dung und Wis­sen­schaft­li­che Forschung.

Die Kon­zert­rei­se wurde unter­stützt durch das Goe­the-Insti­tut und das NRW-Kultursekretariat. 

Das Ther­mo­me­ter zeigt immer noch über 30 °C, als das Orche­ster gegen 21:00 aus dem Flug­ha­fen­ge­bäu­de von Abu Dhabi tritt, die Luft ist feucht. Pal­men säu­men die Auto­bahn in die City, alles wird künst­lich bewäs­sert. Der Was­ser­ver­brauch zählt mit rund 600 Liter pro Kopf und Tag zum höch­sten welt­weit. Die illu­mi­nier­te Sky­line des größ­ten und reich­sten der ins­ge­samt sie­ben Emi­ra­te ist beein­druckend, der Anblick der rie­si­gen Scheich Zayed Grand Moschee, gebaut für rund 40.000 Gläu­bi­ge, überwältigend. 

Die erste Sta­ti­on der ‘Golf­tour’ führt in die Oasen­stadt Al Ain an die ‘United Arab Emi­ra­tes Uni­ver­si­ty (UAEU)’. Der weit­läu­fi­ge Kom­plex ist auf­ge­teilt in einen fema­le und einen male Cam­pus. Die Saxo­phon­sec­tion des Orche­sters eröff­net im Bei­sein des Deut­schen Bot­schaf­ters in den VAE und des Vize­kanz­lers der UAEU den ‘Ger­man Day’, bei dem sich unter ande­ren das Goe­the-Insti­tut, der DAAD, die Kon­rad-Ade­nau­er-Stif­tung sowie das Fraun­ho­fer Insti­tut präsentieren. 

Anschlie­ßend fin­det ein Work­shop für aus­ge­such­te Musik­stu­den­tin­nen auf dem fema­le Cam­pus statt. In schwar­ze Gewän­der geklei­det, der soge­nann­ten Abaya, dazu hoch­hacki­ge Schu­he, ele­gant geschminkt und nicht sel­ten mit teu­rem Schmuck aus­ge­stat­tet, ver­fol­gen sie stau­nend und zunächst reser­viert den Aus­füh­run­gen der Orche­ster­lei­tung; das Handy, meist ein i-Phone, stets griff­be­reit. Die anfäng­li­che Zurück­hal­tung weicht schnell enthu­sia­sti­scher Begei­ste­rung; die jun­gen Musi­ker wer­den gefei­ert wie Rock­stars. Man lässt sich pho­to­gra­phie­ren, pro­biert Instru­men­te aus, kommt ins Gespräch, die Band ver­teilt Autogramme. 

Das Kon­zert am sel­ben Abend fin­det im Tawam Audi­to­ri­um der UAEU statt. Die Stu­den­tin­nen vom Work­shop, nun schon eine klei­ne Fan­ge­mein­de, sind auch anwe­send, aller­dings getrennt vom übri­gen Publi­kum auf die Empo­re ver­bannt. Sie fei­ern ‘ihre’ Band. Eini­ge junge Ara­ber, in knö­chel­lan­ge Gewän­der (Thawbs) gehüllt, wis­sen mit der Musik nicht so recht umzu­ge­hen und spie­len gelang­weilt mit ihren Handys. 

Zurück in Abu Dhabi gibt das Orche­ster ein klei­nes Kon­zert im rie­si­gen Kom­plex des fema­le Cam­pus der ‘Zayed-Uni­ver­si­tät’. Die­ser wirkt wie ein über­di­men­sio­na­les Raum­schiff in der Wüste; neben­an spie­gel­gleich die Gebäu­de des male Cam­pus. Der Spiel­ort ist die ‘Pro­me­na­de’ der Uni­ver­si­tät, die die Aus­ma­ße einer Flug­ha­fen­hal­le auf­weist. Stu­den­tin­nen in ihrer Abaya schau­en inter­es­siert zu, das i-Phone als unver­zicht­ba­rer Beglei­ter in stän­di­gem Ein­satz. Die Stim­mung ist auf­grund der rie­si­gen Dimen­sio­nen des Rau­mes eher ver­hal­ten. Nach dem Kon­zert bleibt freie Zeit, um die Stadt zu erkunden. 

Noch vor weni­gen Jahr­zehn­ten der Lebens­raum von Bedui­nen, Fischern und Per­len­tau­chern, hat sich Abu Dhabi in eine rie­si­ge Metro­po­le ver­wan­delt: bis zu vier­zigstöcki­ge Hoch­häu­ser mit schim­mern­den Spie­gel­glas­fas­sa­den in den ver­schie­den­sten Far­ben, vier- und sechs­spu­ri­ge Stra­ßen, rie­si­ge Malls, die Geschäf­te aller mög­li­chen Mar­ken beher­ber­gen, große Luxus­ho­tels wie dem Emi­ra­tes Palace und über 20 Parks und Grün­an­la­gen. Letz­te­ren ver­dankt Abu Dhabi auch sei­nen Bei­na­men: ‘Gar­ten­stadt am Golf’. 

An der der pri­vat geführ­te Eli­te­schu­le ‘Glen­elg School of Abu Dhabi’ ist der näch­ste Work­shop vor­ge­se­hen. Hier besteht die Ziel­grup­pe aus Schü­lern im Alter von 12-14 Jah­ren. Noch nie zuvor hat hier ein Jazz­or­che­ster gespielt. Besorgt hat die Schul­lei­tung im Vor­feld gebe­ten, die Schü­ler nicht mit zu lau­ter und ‘aggres­si­ver’ Musik zu erschrecken. Den Lei­tern des Orche­sters gelingt es, eine Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ba­sis her­zu­stel­len, auf der letzt­lich das regu­lä­re Pro­gramm der Band in gewohn­ter Dyna­mik prä­sen­tiert wer­den kann. Es wer­den unter ande­rem ein­zel­ne Instru­men­te vor­ge­führt, die Teil­neh­mer zum Mit­sin­gen und –klat­schen ani­miert. Die Kin­der, in adret­te Schul­uni­for­men geklei­det und auf­fal­lend dis­zi­pli­niert, ver­las­sen fröh­lich die Aula, die Schul­lei­tung ist glück­lich und erleichtert. 

Der näch­ste öffent­li­che Auf­tritt des Orche­sters, zu dem die Deut­sche Bot­schaft und das Goe­the-Insti­tut Golf-Regi­on ein­la­den, fin­det im reprä­sen­ta­ti­ven Rah­men des ‘Abu Dhabi Theat­re’ statt. Das Kon­zert wird in enger Koope­ra­ti­on mit dem Emi­ra­tes Heri­ta­ge Club rea­li­siert und von SAP und der Faraj Bin Hamoo­dah Hol­ding unterstützt. 

Die Bus­fahrt nach Dubai, der näch­sten Sta­ti­on der Reise, dau­ert rund 2 Stunden. 

Impo­sant über­ragt das höch­ste Gebäu­de der Welt, der rund 800m hohe Burj Kha­li­fa-Turm, die welt­größ­te Mall, die berühm­te ‘Dubai-Mall’. Der Blick fällt auf das Burj Al Arab, 1999 eröff­net, mit 321 das höch­ste und luxu­riö­se­ste Hotel welt­weit, Sym­bol Dubais. 

Die Unter­kunft, die die Band zunächst bezieht, riecht feucht. In eini­gen Zim­mern hat sich der Schim­mel breit gemacht. Kur­zer­hand wech­selt man das Quar­tier, das nun in unmit­tel­ba­rer Nähe zur Mall of Emi­ra­tes nebst einer Ski­hal­le gele­gen ist. In die­sen Kom­plex inte­griert ist das Kul­tur­zen­trum ‘Dubai Com­mu­ni­ty Theat­re & Arts Cent­re’ mit Thea­ter und Ate­liers für Künst­ler. Hier fin­den Aus­stel­lun­gen, Kunst­klas­sen sowie Musik- und Per­for­mance­ver­an­stal­tun­gen statt. Wie ein Klein­od inmit­ten der Kon­sum- und Glit­zer­welt wirkt dies in Eigen­re­gie mit viel Enga­ge­ment geführ­te Thea­ter. Her­vor­ra­gend tech­nisch aus­ge­stat­tet bie­tet es die idea­le Kulis­se für ein Jazz­kon­zert. Doch zuvor hat die Band Gele­gen­heit, sich in der Stadt umzu­se­hen. Das geht am Besten mit der hoch moder­nen Metro, die voll­au­to­ma­tisch, ganz ohne Fah­rer, sich ent­lang der Haupt­ach­se der Stadt, der Sheikh Zayed Street, fortbewegt. 

Tags­über erpro­ben eini­ge Orche­ster­mit­glie­der das Jet­ski-Fah­ren, abends fla­niert man im lVier­tel Jumei­rah, auf­wen­dig als Oase gestal­tet mit Bau­wer­ken, die mit­tel­al­ter­li­cher ara­bi­scher Archi­tek­tur nach­emp­fun­den sind.

Das Goe­the-Insti­tut und das ‘Dubai Com­mu­ni­ty Theat­re & Arts Cent­re’ (Ductac) orga­ni­sie­ren einen wei­te­ren Work­shop für Schü­ler. Diese wer­den auf die Bühne gebe­ten und kön­nen Seite an Seite mit den ‘erwach­se­nen’ Akteu­ren ver­fol­gen, wie The­men ein­zel­ner Sec­tions nach und nach zu einem kom­plet­ten Big Band-Arran­ge­ment zusam­men­ge­fügt wer­den. Dabei wer­den die Teil­neh­mer auf­ge­for­dert zu kon­trol­lie­ren, ob die Band auch alle Noten rich­tig spielt, eine Auf­ga­be, der die Schü­ler mit Kon­zen­tra­ti­on und gro­ßem Enga­ge­ment nachkommen. 

Im Ductac fin­det abends eines der gelun­gen­sten Kon­zer­te der Tour statt. Die Atmo­sphä­re die­ses eher inti­men Thea­ters trägt wesent­lich zum Gelin­gen des Auf­tritts bei. Ein­tritts­kar­ten wer­den frei ver­kauft. Dass die Kon­zer­te zuvor ein gro­ßer Erfolg waren, hatte sich inzwi­schen bis Dubai her­um­ge­spro­chen; ent­spre­chend gut besetzt ist der Zuschau­er­raum. Dank gilt dem Betrei­ber des Thea­ters, Frau Mil­lie J. Tsai, die das Ver­an­stal­tungs­ri­si­ko auf sich genom­men hat. Jazz in Dubai zu ver­kau­fen ist eine schwie­ri­ge Disziplin.

Das Ein­checken am Flug­ha­fen von Abu Dhabi für den Wei­ter­flug nach Kuwait ver­läuft, anders als in Frank­furt, rei­bungs­los und ent­spannt. Auch hier trifft man, eben­so wie in ande­ren Dienst­lei­stungs­be­rei­chen der Regi­on, auf freund­li­ches und hilfs­be­rei­tes Personal. 

Das Stadt­bild von Kuwait City hat längst nicht die archi­tek­to­ni­sche Fines­se wie das der Metro­po­len Abu Dha­bis und Dubais. Es wirkt unein­heit­lich, ohne Aus­strah­lung; ein öffent­li­ches Nah­ver­kehrs­sy­stem exi­stiert nicht. Das JJO NRW spielt im Rah­men­pro­gramm der Deut­schen Woche in Kuwait (‘Ger­ma­ny: A lea­ding World Play­er in Tech­no­lo­gy, Inno­va­ti­on, Sci­ence and Rese­arch’), die in Koope­ra­ti­on mit der Deut­schen Bot­schaft und der Kuwai­ti­schen Uni­ver­si­tät durch­ge­führt wird. Zu Beginn der Ver­an­stal­tung into­nie­ren Blä­ser des Orche­sters die kuwai­ti­sche und die deut­sche Natio­nal­hym­ne. Spä­ter fin­det ein Open-Air Kon­zert im Ein­gangs­be­reich der Uni­ver­si­tät statt. 

Aus Anlass des Tages der Deut­schen Wie­der­ver­ei­ni­gung lädt der Deut­sche Bot­schaf­ter in Kuwait in seine Resi­denz. Nach den bei­den Natio­nal­hym­nen spielt das Orche­ster zur Eröff­nung des Festes. Die Band stößt auf wenig Inter­es­se, Applaus kommt nicht auf. Die Gäste wid­men sich aus­schließ­lich ihren Spei­sen und Geträn­ken, von denen reich­lich ange­bo­ten wird. Alko­hol, sonst strikt ver­bo­ten, wird reich­lich aus­ge­schenkt; so manch Ein­hei­mi­scher in wei­ßem Gewandt lässt sich gerne nachschenken. 

Auch in Kuwait ist ein Work­shop vor­ge­se­hen, die­ses Mal an der Ame­ri­ka­ni­schen Uni­ver­si­tät. Die Band gibt zunächst open air ein klei­nes Kon­zert, anschlie­ßend trifft man sich im Musik­raum. Dort bit­tet die Vize­prä­si­den­tin der Uni­ver­si­tät, zu Beginn die Jazz­bal­la­de ‘My Funny Valen­ti­ne’ sin­gen zu dür­fen. Die Rhyth­mus­grup­pe des JJO beglei­tet dezent, Stu­den­ten und Stu­den­tin­nen applau­die­ren begeistert.

Das Abschluss­kon­zert der Tour fin­det im Ball­saal des Holi­day Inn statt, zu dem der Gene­ral Mana­ger des Hau­ses aus­ge­such­te Gäste ein­lädt. Im Gegen­zug erhält das Orche­ster freie Unter­kunft für den gesam­ten Auf­ent­halt in Kuwait. Das JJO NRW wird geför­dert durch das Mini­ste­ri­um für Fami­lie, Kin­der, Jugend, Kul­tur und Sport des Lan­des NRW.